LI-TAI-PE.

Der Kaisers Dichter

Oper in drei Akten
Text von Rudolph Lothar
Musik von

Clemens Freiherr von Franckenstein


(1920)

Op. 43


Akt II.




[Der Thronsaal des Kaisers. Die ganze Breite der Bühne nimmt ein schwerer, dunkelblauer Vorhang ein, der bis zur Rampe nur einen schmalen Raum freiläßt. Rechts und links vom Vorhang je sitzender großer goldeneer Drache. Vor der Mitte des Vorhangs steht der Herold, ganz in gelbe Seide gekleidet. Rechts nd links von ihm die Minister Yang Kwei-Tschung und Kao-Li-Tse, Garden und Würdenträger.]

Der Herold: Auf seinem goldenen Drachenthrone
In Schwermut versunken sitzt der Kaiser.
Er hält das Bild in Händen,
Das Bild der allerschönsten Prinzessin
Und harrt des Dichters, der seines Herzens Sehnsucht
In kunstvoll schönen Versen schildern kann.

Yang Kwei-Tschung: Bin ich nicht des Kaisers rechte Hand?
Sein Stab nicht und sein Schwert?
In seinem Namen sprech'ich Recht und Krieg
Wie Frieden bringe ich in seinem Namen!
Darum gebührt es mir vor allen andern,
Den Gedanken des Kaisers Worte zu verleih'n.
Vor seinen Thron will ich jetzt treten,
Der Gott der Dichter möge mich we leuchten.

Der Herold: So trete denn vor, Yang Kwei-Tschung,
Des gnädigsten Kaisers Minister.

(Auf ein Zeichen des Herolds teilt sich der Vorhang; man erblickt einen zweiten Vorhang mit je einem goldenen Drachen rechts und links. Kwei-Tschung verbeugt sich tief vor dem Vorhang, der fann ebenfalls in der Mitte emporgerafft wird. Dasselbe geschieht mit einem dritten und vierten Vorhang. Kwei-Tschung geht unter tiefen Verbeugungen durch die breite, von den Vorhängen gebildete Gasse.)

Chor:Hast Du empfangen die Weisheit,
Oh, Yang Kwei-Tschung!
Des Kaisers Minister zu sein, so spricht es aus.
Oh, Yang Kwei-Tschung!
Wir horchen in Demut, in tiefster Bescheidenheit,
Wir horchen voll Wißbegier.

(Er ist vor dem Throne angelangt. Man sieht nur die goldenen Stufen. Den Thron und den darauf sitzenden Kaiser verhüllt ein letzter blauer Vorhang, vor dem zwei gepanzerte Garden Wache halten. Yang Kwei-Tschung wirft sich vor dem Thron auf Erde.)

Chor: In tiefster Ehrfurcht horchen wir.

Yang Kwei-Tschung: Oh, großer Kaiser,
Neige gnädig mir Dein Ohr.

Der Herold: Und nun beginne, Yang Kwei-Tschung!

Yang Kwei-Tschung: (parodistisch) Er hab'ne Prinzessin, Blüte der Erde,
Dich liebt der Kaiser, weißt Du, was das bedeutet?
Wenn ich die Brauen runzle, erbebt die Welt.
Wenn ich die Hand erhebe, so zittern meine Völker.
Wenn ich die Augen furchtbar rolle, dann fliehen meine Feinde
Und zuck' ich mit den Nasenflügeln,
So stürzen meine Großen tief in den Staub.
Und dieser Kaiser, dem dies große Land gehöret,
Der stolz auf seinem Drachenthrone sitzt,
In dessen Augen sich die Welten spiegeln,
In dessen Hirne das Geschick der Erde beschlosseb wird
In unfehlbarer Weisheit, er Laßt sich tief zu Dir herab.
Erhab'ne Prinzessin, Blüte der Erde!
Dich liebt der Kaiser——

Der Kaiser: ( Aus dem blauen Vorhang
streckt sich die weiße, ringgeschückte Hand des Kaisers
)
Genug! hör auf, und quäle mich nicht!
Deine Worte sindleer, ich will sie nicht hören!

Der Herold: Der Kaiser sprach.

Yang Kwei-Tschung: Weh' mir, daß ich nicht Gnade fand!

Kao-Li-Tse: Bin ich nicht der Blitz in des Kaisers Hand?
Der Schrecken seiner Feinde?
Mit meinen Garden beschütze ich sein Leben,
Der Nächste bin ich seinem Thron.
Ich höre pochen des Kaisers Herz
Und will nun künden, was ich höre.

(Er schreitet langsam auf den Thron zu)

Chor: Wir horchen in Demut, in tiefster Ehrfurcht,
Wir horchen voll Wißbegier.

Kao-Li-Tse: O großer Kaiser! Neige gnädig mir dein Ohr!

Der Herold Beginne, Kao-Li-Tse.

Kao-Li-Tse: Trompeten und Trommeln,
Posaunen und Cymbeln sollen meine Lieve der Welt verkünden.
Mit jubeln den Fanfaren ziehst Du ein, oh holdes Bild durch meines Her...
(er reißt plözlich ab, da er die Hand des Kaisers erblickt)

Der Kaiser: Genug! Hö auf! und quäle mich nicht,
Deine Worte sind leer, ich Will sie nicht hören!

Der Herold: Der Kaiser sprach.

Kao-Li-Tse: Weh' mir, daß ich nicht Gnade fand!

(von rechts kommt Li-Tai-Pe gestützt auf Ho-Tshi-Tschang. Hinter ihnen Einige der Trinkergesellschaft aus dem ersten Akt, darunter Yang-Gui-Fe. Diese Gruppe hält sich schüchtern zurück und wagt vorest nicht einzutreten.)

Li-Tai-Pe: Kommt nur herein! Was zögert ihr?
Ist dieser Saal nicht offen für jeden Untertan, der treu die Pflichter erfüllt?
Und dies habt ihr getan, ihr Freunde! Habt mich gestützt und gehalten,
Wenn auch der Boden schwankte und alle Häuser tanzten
Und die Dächer alle tief sich neigten.

Ho-Tschi-Tchang: Oh Li-Tai-Pe, mein Freund, ermanne Dich!
Und schütt'le ab den Rausch,
Dein Schiksal liegt in Deiner Hand.
Du stehst vor Deines Kaisers Thron.

Li-Tai-Pe: Ich stehe? Das ist viel gesagt!
Ich fühl' mich wie auf hoher See,
Im tanzenden Nachen, von Wellen umbraust.

Yang-Kwei-Tschung: Was will der Trunk'ne hier bei...

Kao-Li-Tse: Mit irrem Blick, gesträubtem Haar,
Erscheint man vor dem Kaiser nicht!

Yang Kwei-Tschung: Hinaus mit Dir bei meinem Zorn!

Der Herold: Ehret und achtet den Dichter Li Tai-Pe,
Auf mein Geheiß kam er hierher des Kaisers Gefühlen
Ausdruck zu verleih'n.

Kao-Li-Tse: Der Trunkenbold!

Yang Kwei-Tschung: Der Bösewicht!

Kao-Li-Tse: Der Tunichtgut!

Yang Kwei-Tschung: Der Tagedieb!

Kao-Li-Tse:Der Vagabund, der gestern erst
Zur Prüfung frech sich gesellt.

Yang Kwei-Tschung: Doch dieser Frechheit ward ihr Lohn,
Denn er ist durchge fallen im Examen!

Li-Tai-Pe: Und darauf bin ich stolz,
Ihr hohen Herr'n. Was wäre eine Würde wert,
Die Eure Weisheit mir verlieh'n?
Die Menschenwürde gab mir Gott,
Denn eine einz'ge schwere Prüfung ist das Leben.
Die Dichterwürde aber gaben mir die Freunde,
(auf seine Begleiter deutend)
Sie sind niedrig und arm, doch sind sie stolz,
Weil der Dichter Li-Tai-Pe ihr Freund ist.

Ho-Tschi-Tschang: Bedenke, wo Du bist! Du stehst vor Deinem Kaiser.
Laß Deine Seele klingen im Gedicht,
Oh, Li-Tai-Pe!

Der Herold: (zu Li-Tai-Pe): Bist Du bereit?

Li-Tai-Pe: Ich bin bereit.
(Li-Tai-Pe schreitet, völlig ernüchert, langsam auf den Thron zu.)

Chor: Wir horschen im Staube, in stiller Demut,
In tiefster Ehrfurcht, vor uns'res Kaisers Thron.

Li-Tai-Pe: In sanftem Leuchten blinken die Sterne,
Es Schläft mein Reich. Einsam schlägt mein Herz,
In tiefer Sehnsucht ruf' ich zu Dir,
Du holte Göttin, die mein Lebenerfüllt,
Neig' Dich zu mir!

(Der Kaiser schlägt plötzlich mit beiden Armen den Vorhang zurück und erscheint auf der obersten Stufe des Thrones stehend, im ganzen Glanz seiner Majestät.)
Der Kaiser: Wer sang da?

Der Herold: Der Dichter Li-Tai-Pe.

Der Kaiser: Ich grüße Dich, oh Li-Tai-Pe,
Vor meinem Thron. Nun singe Du weiter, was mein Herz bewegt,
Mein Bruder, mein einziger Freund!

Li-Tai-Pe: (ruhig fortfahrend:) Wenn Nachts alle Blumen duften
Und leise die Bäume rauschen,
Dann trägt der Wind mir flüsternd
Zu das zarte Lied der fernen Nachtigall.
Da schneid'ich einen Weidenzweig vom Strauch
Und schnitze mir daraus eine Flöte.
Das ist das Szepter meiner neien Macht,
Die Macht der wunderbaren Liebe
Die heiß in meinem Herzen brennt.
| Sanft steigt mein Lied empor zu Dir,
| Du Holde, die ich liebe,
| Es spricht mein Herz zu Dir
| In tiefer Nacht, gib Antwort mir und sage,
| Ob Du mich liebst O aller schönste Frau.
|
| Chor: Schön klingt das Dichters Lied.
| O Li-Tai-Pe, wie hold das Wort
| Dir von den Lippen fließt mit diesem Liede wird
| Hüan-Tsung gewinnen was seine Seele sehnsuchtsvoll verlanget,
| Die Prinzessin fei-Yen, die allerschönste Frau.

Ensemble.

| Yang-Gui-Fe: O Freude O hohes Glück,
| Daß Dir's gelang, O Li-Tai-Pe,
| Dies Lied zu dichten, das Deines Kaisers Braut gewinnt,
| Heil Dir, O Li-Tai-Pe!
| Habt Dank ihr Götter für dies hohe Glück.
|
| Kao-Li-Tse: Wer hätt' gedacht daß
| Dieser Trunken bold den Sieg erringen würde...
| Verkehrte Welt! Verkehrte Welt!
|
| Li-Tai-Pe: Glück bringe Dir mein Lied,
| O Kaiser, es gewinn Dir die Braut.
|
| Der Kaiser: Sanft steigt mein Lied empor zu Dir,
| O aller schönste Frau, die ich in heißer Sehnsucht
| Liebe sein Du die Kaiserin, die mir der Himmel schenkt.
|
| Ho-Tschi-Tschang: O Li-Tai-Pe, wie froh bin ich,
| Daß Du desKaisers Gunst errangst mit diesem schönen Lied.
| Heil Dir mein Freund! Heil Li-Tai-Pe!
|
| Yang-Kwei-Tschung: Wie traurig, fürwahr,
| Daß solche Kunst gefallen konnte.
| Nie hätt'ichs geglaubt! Traurig ist's!
| Verkehrte Welt! Verkehrte Welt!
|
| Der Herold: Wie schön, wie herrlich war das Lied,
| Das dieser Dichter uns sang. Heil Li-Tai-Pe!
| Heil Dir. Heil Li-Tai-Pe!
|
| Chor: Wie herrlich war sein Lied.
| Seht, wie der Kaiser gnädig lächelt.
| Heil Dir O Li-Tai-Pe! Heil! Heil Li-Tai-Pe!

Der Kaiser: (Zu der fremden Gesandtschaft)
Habt Ihr's gehört? So spricht der Kaiser zu der Prinzessin,
Die er liebt, bringt ihr das Lied und holt sie im Triumpf
An meinen Hof, wo sie als Kaiserin in Glück und Gnade
Mit herrschen soll. (Zu Li-Tai-Pe:) Du aber sei bereit, mit
Schönster Schrift die Verse aufzuschreiben.

Li-Tai-Pe: Das wil ich gerne tun.
Und da ich jetzt mir wünschen darf, was ich nur will,
So wünsche ich: Daß Dein Minister Yan-Kwei-Tschung
Mir meine Tusche reibt. (Yang-Kwei-Tschung macht eine drohende Bewegung)
Auch wünsch' ich ein festliches Kleid
Und neue Strümpfe und Schuhe!
Und Kao-Li-Tse soll mir die Strümpfe
Anziehn und die Schuhe schnüren.

Der Kaiser: Essei! Wohlan Yan-Kwei-Tschung und Kao-Li-Tse, gehorchet ihm!
Und daß Du siehst, wie Dein Kaiser Dich liebt,
Will ich in Gnade Dir befehlen: Du holst mir selbst die Braut!
Sei Du mein Botte, sprich Du zu ihr von meiner Liebe,
Als mein bester Freund.


(Der Kaiser zieht die fremde Gesandtschaft ins Gespräch. Es ist ein gesticktes Prachtkleid gebracht worden und Li-Tai-Pe zieht es an. Dann setzt er sich auf einen Stuhl und läßt sich von Kao-Li-Tse Strümpfe und Schuhe ansiehen, in des Yang-Kwei-Tschung in demütiger Haltung die Tusche reibt. Ein Hofbeamter hält eine große Pergamentrolle bereit. Während sich dieser Vorgang in der Nähe des Thrones abspielt spricht im Vordergrund der Bühne Yang-Gui-Fe heftig auf Ho-Tschi-Tschang ein.)
Yang-Kwei-Tschung: Ich soll die Tusche ihm reiben!
|Welche Schmach!
|
|Kao-Li-Tse: O welche Schmacht ist das!
|
|Yang-Gui-Fe: O Schmerz! Was wird aus Li-Tai-Pe
| Meinem Freund! Noch keine Frau hat je ihm widerstanden,
|auch widersteht er selbst keiner schönen Frau.
|Kao-Li-Tse: Ich soll die Schuhe ihm schnüren,
| Dem Trunkenbold! Diesem frechen Vagabunden!
| Verkehrte Welt!

|Ho-Tschi-Tschang: Was jammerst Du?
|
|Yang-Kwei-Tschung: O welche Schmach das! Verkehrte Welt!

Ho-Tschi-Tschang: So liebst Du diesen Mann?

Yang-Gui-Fe: Ob ich ihn liebe! Über alles lieb' ich ihn!
| Er rennt in sein Verderben, ich seh' es klar.
|
|Li-Tai-Pe (Zu Kao-Li-Tse): He! Du! Schnür' nicht so fest!

Kao-Li-Tse (demütig): Entschuldigt Herr!

Ho-Tschi-Tschang: Was willst Du tun, um ihn zu retten?

Yang-Gui-Fe: Ach könnt'ich nur in seiner Nähe bleiben,
| Als unsichtbarer Schutzgeist über ihn zu wachen!
|
|Li-Tai-Pe (Zu Yang-Kwei-Tschung):
| Die Tusche ist zu dünn! Pass'auf Du Stümper!

|Yang-Kwei-Tschung (bissig): Ich tue was ich kann.
|
|Li-Tai-Pe (schreibt weiter): So kannst Du wenig.

Ho-Tschi-Tschang (nachdenklich): In seiner Nähe willst Du bleiben?
Das kann geschehn. Ich gebe Dir ein schönes Pagenkleid
Und schenk'Dich ihm für sein Gefolge.

Yang-Gui-Fe (bitter): Er wird mich nicht erkennen,
Denn niemals denkt er ja an mich.

Ho-Tschi-Tschang: So mach'Dich reisefertig!
Schade wär's wenn dieses Abenteuer den Kopf ihn kosten würde.
(Beide ab.)

Li-Tai-Pe (mach die letzten Pinselstriche): Mein großer Kaiser, ich bin fertig!
Hier is das Pergament.

Der Kaiser: So gehe hin, Du Bruder meine Seele,
Du Pförtner an der Schwele meines Herzens,
Spricht Du zu ihr! Er zähl' ihr daß bis heute meine Gedanken
Wie schwarze Schwäne waren, die Nachts auf dunkler Flut einsam ziehen.
Jetzt aber strahlt all mein Denken wie der Goldfasan,
Der sich empor schwingt zum Licht.
Geh' hin und bring' der aller schönsten Frau das Lied,
Das Meine heiße Liebe schildert, sei Du mein Herold bei der Braut,
Die mir der Himmel gab.

(Feierliche Verabschiedung. De Vorhang vor dem Thron schiesßt sich wieder. Der Herold fürt den Zug der Gesandtschaft, an dessen Spitze Li-Tai-Pe schreitet, nach vorne. Hinter dem Zuge schließt sich langsam ein Vorhang nach dem andern. Inzwischen ist Ho-Tschi-Tschang, Yang-Gui-Fe (in Knabentracht) an der Hand fürend, wieder erschienen.)

Ho-Tschi-Tschang: (zu Li-Tai-Pe:)
Ich wünsch' Dir Glück auf Deinen Weg,
Und als Geschenk von mir nimm' diesen Pagen.
Er wird Dir zur Laute singen, wenn Du müde bis
Er wird Dir den Becher kredenzen,
Wenn Dich dürstet nach Wein.

Li-Tai-Pe:
Den hübschen Knaben nehm' ich gern zu meinem Diener.
Seh' ich Dich an, mein schlanker Page,
So ist mir als hätt' ich diese Augen schon einmal wo gesehn.
Ja Du erinnerst mich ... an wen? Ich weiß es nicht.
Allein was tut's! Reise mit mir zu schönsten Frau der Erde!

(Er geht mit Yang-Gui-Fe rasch ab. Ho-Tschi Tschang folgt langsam. Bis auf den Herold und die Würdenträger haben alle die Bühne verlassen.)

Der Herold: Auf seinem goldenen Drachenthrone sitzt Hüan-Tsung der edle Kaiser.
Er hält ein Bild in Händen
Das Bild der allerschönsten Princezessin
Und harrt des Tages, wo sie als Kaiserin
In Glück und Gnade mit ihm herrschen wird.

(Langsam fällt der Vorhang.)

Ende des Zweiten Aktes.

Zu III Akt.